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Sonntag, 7. März 2010

Was kann ich denn noch?

Selbständig als Biologe - das beschäftigte mich (und Andere; jeder Assi, mit dem ich je gesprochen habe, kam irgendwann unaufgefordert mit diesem Thema) damals sehr stark. Dienstleistungen waren schwer im Kommen; Sequenzierungen, Primerdesign, Massenspektrometrie usw., aber das setzte ein Labor mit Hardware für ein paar Millionen Euro voraus, sowie Personal in Höhe von mindestens zwei TAs und 1 Verwaltungskraft.
Also etwa 10 Millionen Euro auf Pump, und eine klare Perspektive: Wenn der Laden nach fünf Jahren noch nicht von Sigma, Boehringer oder Merck etc. gekauft wurde, ist er ein Flop. 10 Millionen, ade. Zurückzuzahlen in Monatsraten von sicherlich nicht unerheblicher Höhe. Dazu war und bin ich zu feige.

Also was noch?
Dazu fiel mir damals nur sehr wenig ein. Ich dachte ausschließlich in den Kategorien des klassischen Werktätigen, der einen Job wie Lokomotivführer, Pilot, Fleischereifachverkäufer oder Schornsteinfeger im Auge hat.
Das konnte ich alles nicht. Ich hatte aus Studienzeiten Erfahrungen als Lagerarbeiter (an dieser Stelle endlich mal ein Dank an die Spedition Hellmann; die 7 Jahre meines Studiums finanzierte ich durch den Aushilfsjob bei denen.
Wenn die Kommilitonen schon biertrinkend in der Kneipe saßen - ich stand im Lager und lud LKW aus. Auch noch als Ziwi. Denn ich musste meinen Zivildienst leider sehr unerwartet antreten, ohne dass ich mein Studium so beenden konnte, wie es geplant war.
Als Ziwi schob ich die Nachtschichten am Wochenende, jeweils von 22 bis 6 Uhr. Solange, bis der unvermeidliche Leistenbruch dem nach 7 Jahren ein Ende setzte. Zwei Tage nach der
Diagnose kam die Kündigung.
Zu Schulzeiten hatte ich als Anstreicher und Erntehelfer gearbeitet, ich hatte etwas Erfahrung und den Führerschein für Siebeneinhalbtonner, aber das war es.
Keine glänzenden Perspektiven für einen neuen Job.
Und ein krasser Beweis dafür, wie stark das Denken in klassischen Job-Kategorien einengen und den Horizont beschränken kann.

Kurz zur Vorgeschichte

Der Gedanke, mich selbständig zu machen, kam mir das erste Mal etwa im Jahre 2003. Zu der Zeit war ich an einer deutschen Universität als wissenschaftlicher Angestellter tätig. Das größte Problem von wissenschaftlichen Angestellte ist, dass sie eben leider nicht machen können, was sie wollen, bzw. als vernünftig erachten. Um diese bedauerliche Lage zu ändern, muss man irgendwann Professor werden. In der Theorie geht das nur dann, wenn man eigene, herausragende wissenschaftliche Ergebnisse vorzuweisen hat. Und genau der Weg dahin wurde mir mal wieder blockiert.

In der Praxis (was mir damals in der Form gar nicht bewusst wurde) führt der Weg zur Professur natürlich nur über Einschleimen bei den "richtigen" Leuten. Das war nicht meine Stärke. Ich weiß, wann ich bei fachlichen Fragestellungen im Recht bin, und verteidige dies auch vehement. Die Einladungen als "invited speaker" zu wichtigen internationalen Tagungen und meine Publikationen in respektablen Fachzeitschriften schienen mir dabei Recht zu geben. Damals, wie später (bis 2007).

Fakt war jedoch, ich hatte eine befristete Stelle wie immer, und meine Zukunft hing von einem beantragten Projekt ab. Auch nichts Neues, das hatte ich schon fünf mal hinter mir. 60 % meiner bis dahin eingereichten Anträge wurden bewilligt, und viermal gab es Arbeitslosengeld, um abgelehnte Anträge neu zu schreiben und einzureichen. Aber damals (2003) war es anders, ich reichte denn zusammen mit Chef einen richtig dicken Antrag für ein DFG-Schwerpunktprojekt ein. Mein Teil wurde bewilligt, der von Chef nicht.

Alles klar - ich drin; Chef raus. Denkste. Ich erfuhr erst später, was alles im Hintergrund abgelaufen war, damit ich trotzdem nur halber Projektleiter wurde. Chef setzte mittels guter Beziehungen durch, dass ein Teil der abgelehnten Fragestellungen im Bewilligungsbescheid an zentrale Position gerückt wurden.

Eines wurde mir dadurch sehr deutlich signalisiert: Ein Assistent, der mehr Prestige einfährt als sein Chef - das geht nicht. Und das wurde mir in der Folgezeit auch sehr klar aufgezeigt. Um eine Geschichte kurz zu machen, mit der man ein ganzes Buch füllen könnte: ich fragte mich zu dem Zeitpunkt das erste Mal, was ich denn eigentlich noch kann, außer an der Uni Assistent zu sein.

Viel war es nicht, was dabei herauskam.