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Sonntag, 5. Dezember 2010

Ab jetzt geht es bergab

2005 glitt mir, nach Ansicht der Lehrstuhlleitung, auch noch "mein Personal" völlig aus den Händen. Ich habe bis heute nicht verstanden, was da eigentlich los war, denn als ich aus meinem zweiten Urlaub seit 2001 wieder zurück war, hatte meine TA bereits gekündigt, und die Kabbeleien zwischen den Laboren arteten in Streitereinen aus. (Anm: Für die TA war das, im nachhinein betrachtet, die goldrichtige Entscheidung gewesen)
Die Stelle neu besetzen? Wahrscheinlich hätte ich drauf bestehen können, aber ich ließ mich überreden, dass wir das Geld für laufende Ausgaben besser brauchen können. Am Ende wurde ein Großteil davon in die Renovierung der Teeküche gesteckt.
Für mich selber aber ging es ab da nur noch bergab. Ich investierte viel Zeit, um die Streitereinen klein zu halten, mit einigem Erfolg. Aber es kostete Nerven. Und wertvolle Zeit. Meine Stelle lief noch bis Juni 2006. Ich hatte die sehr kritischen Gutachter der DFG im Vorjahr überzeugt, dass mein Projekt im Rahmen der Forschergruppe gefördert wird. Cheffe reichte wieder fast dasselbe Material wie 2002 ein, und wurde mir als Teilprojektleiter quasi untergeordnet. Zumindest nach dem Gutachten der DFG, offiziell wurde sie aber trotzdem gruppenintern zur Sprecherin für diesen Teilbereich ernannt, und die Teilprojektleitung wurde geteilt. Ich wurde über die entsprechenden Treffen und Sitzungen erst gar nicht informiert. Begründung: meine Stelle läuft nicht mehr lange genug, um in der dritten Antragsperiode noch zur Antragstellung berechtigt zu sein.
Personal musste dringend her. Ich schrieb einen Antrag auf Kooperation mit Osteuropa, der auf dem DFG-Projekt basierte. Ich kannte B. seit 2003, von einer Tagung in Kiev, und wir wollten immer mal was zusammen machen. Und er hatte an der Russischen Akademie der Wissenschaften Leute, die arbeiten wollten und konnten. Cheffe kannt Boris nicht, aber ich brauche ein formales Ok seitens der Lehrstuhlleitung, um den Antrag einreichen zu können. Nach wochlenlangen Ausbremsmanövern kam dann die entscheidende Frage: "Wäre es nicht für uns alle besser, wenn der Antrag von Mir eigereicht werden würde?" ich brauchte etwas Zeit, um dann klipp und klar Nein zu sagen
Der Antrag wurde in vollem Umfang bewilligt, das Projekt lief gut. Chef hielt sich völlig raus. Ärger gab es erst wieder bei der Publikation der Ergebnisse. Auf sowas lief es immer häufiger hinaus. Ich schrieb Publikationen über Ergebnisse aus meinem Teilprojekt, erstellte Poster und Präsentationen für Tagungen, und musste natürlich an einer der beiden entscheidenden Stellen der Autorenliste (vorne oder, besser noch hinten) als "corresponding author" stehen. Darüber gab es immer Streit. Wer ist der "Geistige Vater" der Arbeiten? Ich hatte den erfolgreichen Antrag erdacht und geschrieben, die Arbeiten koordiniert, die Ergebnisse zusammengeschrieben - Chef bestand drauf, dass das "Bereitstellen der Arbeitsmöglichkeiten" für das Projekt entscheidend war.
Dann kam der Internationale Botanische Kongress in Wien, und sorgte für noch mehr Stress. Der IBC - Die zweitprominenteste und zweitwichtigste Tagung für Pflanzenleute. Ich wäre eigentlich nicht hingefahren, denn Chefin und ein paar ehemalige Mitstreiter kämpften fleissig darum, dort ein Symposium organisieren zu dürfen, was nach einigen Monaten harter Diplomatie denn auch erlaubt wurde. Die alten Damen und Herren luden sich denn auch brav gegenseitig ein und stritten noch eine Weile um die Reihenfolge der Beiträge.
Ich erhielt ein paar Tage später überraschenderweise eine Einladung als Sprecher zu einem anderen Symposium dieser Tagung. Eine wertvolle Anerkennung der Arbeiten, die wir geleistet hatten. Chefin sah das anders, und teile ledilich mit, dass, wenn ich schon dahin wollte, müsse ich das selber zahlen. Die letzten Reisemittel der Lehrstuhlkasse würde sie selber dringend benötigen, und anderes Geld dafür sei nicht da.
Mich kostete das fast ein Netto-Monatsgehalt. Aber das war es wert. Und zwei Monate später, am Jahresende, war noch Geld genug in der ZBV-Kasse, um ein paar sündhaft teure Teile (im Wert von mehreren tausend €) für die HPLC zu kaufen. Weil das Geld ja sonst verfällt, wenn es nicht für "Investitionen, Verbrauchsmittel oder Kongressreisen" ausgegeben wird.

Samstag, 4. Dezember 2010

"Diese Sachen" - da gibts auch noch n Hintergrund

denn es gab im paradiesischen Agadir 20XX eine Tagung, die meinerseits die Vorbereitungen auf die Tagung in Edinborough störte. Ich wurde, trotz meiner Abwesenheit aus Deutschland, extrem "ausdrücklich" eingeladen. Ein Projekt der EU, welches einfach nur "weiter gefördert werden muss". Ein Selbstläufer. So hiess es. Anwesent waren , sorry, um es so pauschal auszudrücken, fast nur Spinner. Ich war enttäuscht, aber meine ehemalige und zukünftige Chefin nicht. Denn es ging ihr um was ganz anderes. Im Basar von Agadir gab es ein sehr klares, perspektivisch gut aufgestelltes Konzept für die nächsten Jahre. Die Querulanten und Opportunisten, die nicht nur mir das Leben schwer gemacht hatten, waren inzwischen alle weg, oder auf dem direkten Weg dahin. Wenn ich das Angebot, ein Engagement in Deutschland anzunehmen, akzeptieren würde, hätte ich lediglich O. noch als altbekannte Mitarbeiterin. Das klang superb, denn die war (mit Ausnahme von A.; die aber auch auf dem Absprung war) die Einzige, die Plan und Fähigkeiten hatte, und mit der eine produktive Zusammenarbeit verlockender klang als in good old england zu bleiben.
Ich nahm die Stelle an, und sagte Pete Danke für seine Bemühungen, mich in England zu halten. Die Stelle war auf zwei Jahre befristet.
Lange hatte das gedauert, bis die Lehrstuhlleitung (meine neue Chefin also) sich zu diesem Schritt entschlossen hatte. Das erfuhr ich recht bald. Zu lange, wie sich sehr schnell zeigte. O., meine persönliche Traumbesetzung für die andere Assistentenstelle, war nämlich ebenfalls auf dem Absprung. Ich konnte zwar S. als fachlich mehr als nur vollwertigen "Ersatz" gewinnen, aber seitens der Chefetage blieb sie einfach nur Ersatz, und auch mir wurden zunehmend Sachen vorgeworfen, die damals (in einem Haus voller Feinde) passiert waren. Schade, denn zusammen mit Cheffe-Unterstützung und als Team hätten wir Großes leisten können. So aber zerfiel der Laden immer mehr. Und das Produkt: "Wir leisten gute Wissenschaft" wurde schon in eigenen Reihen verhindert, ehe es groß werden konnte.
"Man kann sich die Leute ja nicht aussuchen". Mit S. verstand ich mich sehr gut, und wir hatte beide ein angenehmes, vertrauensvolles Verhältnis zu unseren anderen Mitarbeitern, bis...
Ich werde das später nochmals in etwas mehr Details ausführen.

Samstag, 13. November 2010

Back in OS City

Mit den Erfahrungen aus England trat ich meine erste richtige Stelle an. Befristet – natürlich, aber endlich mal besser bezahlt als diese Super-Stipendien. Viel Ehre, wenig Kohle. Tatsächlich war z. B. die „Graduiertenförderung des Landes Niedersachsen“ der ich meinen Doktor verdanke, eine elitäre Auszeichnung einerseits, aber die Bezahlung war so niedrig, dass ich nicht nur Wohngeld, sondern auch den „Winterfeuerungszuschuß“ der Stadt bekam. Lustig war es nicht, aus dem Labor zu verschwinden, um auf dem Sozialamt für 100 DM anzustehen. Die regulären Doktoranden ärgerten sich derweil darüber, dass von deren Weihnachtsgeld, also dem 14. Monatsgehalt, so viel Lohnsteuer abging.
2001 gab es zwar nur noch 13 Monatsgehälter, aber verglichen mit dem (wieder mal) ehrenvollen, aber extrem schlecht bezahlten Forschungsstipendium im England war es paradiesisch. Dank meiner guten Grafik- und Gestaltungskenntnisse wurde ich denn auch gleich zum Experten für „diese Sachen“ auserkoren. Bis nach Deutschland hatte sich die Erkenntnis, dass man gute Ergebnisse auch entsprechend gut verkaufen und darstellen muß, noch nicht rumgesprochen. Und den ehrenvollen Job als EDV-Beauftragten der Abteilung erhielt ich gleich mit, denn „das ist ja auch so mit Computer, und wir brauchen da jemand“. Das umfasste die Besorgung der Hardware und das Rumschrauben daran einerseits, aber auch Homepage und die Bereitstellung von Materialien im Intranet.
Und das war damals neu. In Zeiten, als die Vorlesungen normalerweise noch per Edding auf Folie geschrieben wurden, fing ich an, mit Powerpoint-Präsentationen zu arbeiten. Ich war zu faul, und meine Handschrift zu schlecht, um diesen ganzen Kram entweder selber auf Overhead-Folie zu malen, oder die Folien von meinen Vorgängern waren stilistisch so verschieden, dass ich es nicht übers Herz brachte, die nacheinander auf den Projektor zu legen. Aber davon mal abgesehen, ich habe meinen eigenen roten Faden, bei einer Vorlesung genau so wie bei einem Vortrag, und die Bilder, die ich an die Wand werfe, müssen (als Minimum) dazu passen. Besser noch, sie überzeugen und beeindrucken.
Ich musste viel experimentieren, um endlich dazu zu kommen, wie man Inhalte lebendig und anschaulich präsentiert, und das Ausgangsmaterial (= die Präsentation) mit vernünftigem Aufwand herstellt. Eine Powerpoint-Folie (incl. Animationen) pro Minute ist die Regel, eine Vorlesung dauert 90 Minuten. Und das 14 Wochen pro Semester. Macht in der Summe 1260 Präsentationsobjekte (= Powerpoint-Folien) alleine für eine Vorlesung. Und ab 2004 gab es dann die Option, die Inhalte als HTML-Dateien für die Studenten schon vorab bereit zu stellen. Student, bereite dich auf diese Veranstaltung vor, indem du am Abend vorher die Folien runterlädst, zur Vorlesung mitbringst, und nur noch kommentierst, was der Dozent dazu sagt. Das waren damals die vom Fachbereich vorgegebenen Anforderungen, aber ich war einer von drei Dozenten (von fast 90 insgesamt), die das erfüllten. Es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn heute immer noch 30 von den verbleibenden 60 Dozenten die prähistorischen Overheads an die Wand werfen, die sie von ihren Vorgängern geerbt haben.
Soweit die Uni. Aber – trotz mindestens 60 Arbeitsstunden pro Woche, denn Vorlesen ist ja nur ein Bruchteil der Verpflichtungen - das war ja noch nicht alles.

Sonntag, 24. Oktober 2010

Rückblick, Teil 2

Ich will und werde keinem gelernten Fotografen oder Designer hier zu nahe treten - gelernt ist gelernt. Aber für uns junge Fotofreaks war es damals (1975 - 1980) eine ganz harte Schule, sich gegenseitig "heiß" zu machen, und von erfahrenen Fotografen kritisiert und bewertet zu werden.
Es folgten lange Jahre der Pause. Ich sattelte auf die Minolta X700 um, behielt die VSL35E aber als Zweitkamera, und fotografierte nur auf Exkursionen oder dann, wenn es sich lohnte.
Der "innere Reichsparteitag für Fotografie", kombiniert mit dem Aufstieg in die Design-Liga, kam für mich in England. Das war 1999. Kurz zum Hintergrund: Ich war in Shefield als Biologe (post doc; über ein hart erkämpftes DFG-Stipendiat) bei Peter Horton tätig. Das bedeutete unter anderem, ich mußte mich auf Tagungen (für die ich viel von dem wenigen Geld los wurde) präsentieren als der kommende Top-Scientist. Und mich bei den richtigen Leuten bekannt machen.
Die Forschung lief gut, und deshalb konnte und durfte ich meine Daten in Edinborough bei einem internationalen Kongress präsentieren. Kurz, aber immerhin. Im Robert-Hill Institut hieß das Motto: Zeig, was geht. Und so gut es geht. Und professionell. Wissenschaft bedeutet auch, Ergebnisse professionell darzustellen und zu verkaufen. Aus Deutschland kannte ich allerdings nur "hauptsache, das kostet nichts". Poster wurden in Sheffield per Fotodruck bei einer Druckerei hergestellt (125 Pfund; umgerechnet auf heutige Verhältnisse etwa 300 €), und nicht durch kostengünstige Ausdrucke auf billige Pappe geklebt. Und es wurde eine Digitalkamera plus Software (Photoshop natürlich) und Rechner angeschafft, zum wahnsinnigen Preis von fast 3000 englischen Pfunden. Und das nur, um die Ergebnisse der Arbeitsgruppe gut darzustellen! Mit meinem Hauptsache-billig-background konnte ich das anfangs nicht verstehen, aber die Schulungen zur Gestaltung, und Diskussionen über Bildaufbau und Präsentationen waren gut und lehreich. Und - Peter hatte extrem gute Quoten, was die Vermittlung seiner Leute an andere Labors anging. Ich verstand, und lernte.
Gute Ergebnisse als Wissenschaftler sind wertlos, wenn niemand anders das merkt. Niemand merkt es, wenn man es nicht ganz klar sagt und zeigt. Und eine gute, multimediale Präsentation ist der Weg zum Ziel. Außerdem durfte ich mir die Digi-Cam an Wochenenden ausleihen; sofern niemand anders die brauchte; ich ging durch Shefield und knipste, und konnte anschliessend (dank Photoshop Version 3) mit all dem rumexperimentieren, was früher bei der Fotografie nicht möglich war. Das war genial.
Und es brachte zwei Sachen zusammen, die ich immer für getrennt hielt: Job und Hobby; Arbeit und Gestaltung, Ergebnisse und deren Präsentation. Gegen Ende des Stipendiums (das war 2000) fragte Peter mich, ob ich nicht vielleicht doch an seinem Institiut bleiben wollte. Ich sagte "nein" denn ich hatte aus Osnabrück eine Aussicht auf eine Chance, die mir unwiderstehlich vorkam. Private Gründe spielten auch eine Rolle.

Ein kleiner Vorgriff: von 2001 bis 2008 dachte ich wirklich, dies "nein" damals in Sheffield wäre der größte Fehler in meinem Leben gewesen....

Samstag, 16. Oktober 2010

Ein kleiner Rückblick

Ich musste lange nachdenken, um eine sinnvolle Antwort auf diese Frage zu finden. Denn: Hobby und Beruf - das passt einfach nicht. Habe ich damals so gelernt. Aber das war das "Damals", als noch jeder, der in einer Fabrik seine Lehre machte, genau wusste, wenn ich den Chefs nicht das Tafelsilber von der Tafel klaue oder auf dem Schützenfest die Frau vom Prokuristen vernasche, bin ich sicher bei der Firma bis zur Rente. Da ich den ganzen Tag eine eintönige, maschinenartige Aufgabe ausführe, brauche ich ein Hobby (inclusive dem einschlägigen Hobbykeller), um mich abzulenken. Sicherheit, speziell finanzielle Sicherheit bis ans Lebensende, ja, aber auch Langeweile pur. Der mentale "Tod in der Waschstraße" (Autowäscher oder Tankwart beispielsweise war damals bei Weitem kein Job für Arbeitslose Harz 4er oder Taugenixe, sondern ein ehrenwerter und geachteter Beruf der Dienstleistungsbranche).
Ich habe keine Modelleisenbahn im Kellerkegel und singe nicht, sondern ich fotografiere, und das, seit ich 12 Jahre alt bin. An der Schule gab es eine Foto-AG, da lernten wir nach der regulären Schulzeit mit der Praktika SLR, was Blende, Belichtungszeit, Tiefenschärfe, Farbprofile und sonstwas, was man wissen muss, wenn man mehr als "cheese - und (BLIZ) knipsen" machen möchte. Bei Tante Hilde ist das vielleicht egal wie es hinterher aussieht, aber die Möglichkeiten, die Fotografie bietet, weckten Lust nach mehr. Und - um ehrlich zu sein - ich ging ursprünglich wegen einem Mädel dahin, welches Fotografie ganz toll fand. Um es kurz zu machen, denn Pubertät ist eine ebenso furchtbare wie unheilbare Erkrankung, ich blieb bei der Fotografie, das Mädel bei meinem (bis damals) besten Freund.
Für mich wurde immer karer: Ich bauche selber eine gute Kamera, und Film ohne Ende, sonst läuft da gar nix. Ich wurde Erntehelfer, Waldarbeiter, Anstreicher, Pommesverkäufer und was noch alles, aber am Ende von zwei Sommerferien hatte ich die Traumkamera (die Voigtländer SL 35E) zusammen. Dunkelkammerausrüstung trieb ich auf dem Flohmarkt auf.
Wir waren damals ein ganzer Haufen von fotobegeisterten Teenies, und wo andere sich über Schalke oder BVB stritten, ging es bei uns um Canon oder Nikon. Der Vater von Thomas kannte sich mit Fotografieren gut aus, er war eigentlich Postbeamter, aber machte in der Freizeit Bilder fürs Lokalblatt und Fotos auf Familienfeiern und Schützenfesten. Da gab es viel zu lernen, denn alle Bilder wurden kritisch diskutiert, was daran gut ist und was schlecht. Das ging beinahe fünf Jahre so, dann war die Schule zu Ende, und man zerstreute sich in alle Winde. Ich fotografierte weiter, aber das Hobby wurde zu Studienzeiten zu teuer, und die Zeit fehlte, denn ich durfte ja noch arbeiten, um das Studium zu finanzieren.
Fortsetzung folgt

Sonntag, 7. März 2010

Was kann ich denn noch?

Selbständig als Biologe - das beschäftigte mich (und Andere; jeder Assi, mit dem ich je gesprochen habe, kam irgendwann unaufgefordert mit diesem Thema) damals sehr stark. Dienstleistungen waren schwer im Kommen; Sequenzierungen, Primerdesign, Massenspektrometrie usw., aber das setzte ein Labor mit Hardware für ein paar Millionen Euro voraus, sowie Personal in Höhe von mindestens zwei TAs und 1 Verwaltungskraft.
Also etwa 10 Millionen Euro auf Pump, und eine klare Perspektive: Wenn der Laden nach fünf Jahren noch nicht von Sigma, Boehringer oder Merck etc. gekauft wurde, ist er ein Flop. 10 Millionen, ade. Zurückzuzahlen in Monatsraten von sicherlich nicht unerheblicher Höhe. Dazu war und bin ich zu feige.

Also was noch?
Dazu fiel mir damals nur sehr wenig ein. Ich dachte ausschließlich in den Kategorien des klassischen Werktätigen, der einen Job wie Lokomotivführer, Pilot, Fleischereifachverkäufer oder Schornsteinfeger im Auge hat.
Das konnte ich alles nicht. Ich hatte aus Studienzeiten Erfahrungen als Lagerarbeiter (an dieser Stelle endlich mal ein Dank an die Spedition Hellmann; die 7 Jahre meines Studiums finanzierte ich durch den Aushilfsjob bei denen.
Wenn die Kommilitonen schon biertrinkend in der Kneipe saßen - ich stand im Lager und lud LKW aus. Auch noch als Ziwi. Denn ich musste meinen Zivildienst leider sehr unerwartet antreten, ohne dass ich mein Studium so beenden konnte, wie es geplant war.
Als Ziwi schob ich die Nachtschichten am Wochenende, jeweils von 22 bis 6 Uhr. Solange, bis der unvermeidliche Leistenbruch dem nach 7 Jahren ein Ende setzte. Zwei Tage nach der
Diagnose kam die Kündigung.
Zu Schulzeiten hatte ich als Anstreicher und Erntehelfer gearbeitet, ich hatte etwas Erfahrung und den Führerschein für Siebeneinhalbtonner, aber das war es.
Keine glänzenden Perspektiven für einen neuen Job.
Und ein krasser Beweis dafür, wie stark das Denken in klassischen Job-Kategorien einengen und den Horizont beschränken kann.

Kurz zur Vorgeschichte

Der Gedanke, mich selbständig zu machen, kam mir das erste Mal etwa im Jahre 2003. Zu der Zeit war ich an einer deutschen Universität als wissenschaftlicher Angestellter tätig. Das größte Problem von wissenschaftlichen Angestellte ist, dass sie eben leider nicht machen können, was sie wollen, bzw. als vernünftig erachten. Um diese bedauerliche Lage zu ändern, muss man irgendwann Professor werden. In der Theorie geht das nur dann, wenn man eigene, herausragende wissenschaftliche Ergebnisse vorzuweisen hat. Und genau der Weg dahin wurde mir mal wieder blockiert.

In der Praxis (was mir damals in der Form gar nicht bewusst wurde) führt der Weg zur Professur natürlich nur über Einschleimen bei den "richtigen" Leuten. Das war nicht meine Stärke. Ich weiß, wann ich bei fachlichen Fragestellungen im Recht bin, und verteidige dies auch vehement. Die Einladungen als "invited speaker" zu wichtigen internationalen Tagungen und meine Publikationen in respektablen Fachzeitschriften schienen mir dabei Recht zu geben. Damals, wie später (bis 2007).

Fakt war jedoch, ich hatte eine befristete Stelle wie immer, und meine Zukunft hing von einem beantragten Projekt ab. Auch nichts Neues, das hatte ich schon fünf mal hinter mir. 60 % meiner bis dahin eingereichten Anträge wurden bewilligt, und viermal gab es Arbeitslosengeld, um abgelehnte Anträge neu zu schreiben und einzureichen. Aber damals (2003) war es anders, ich reichte denn zusammen mit Chef einen richtig dicken Antrag für ein DFG-Schwerpunktprojekt ein. Mein Teil wurde bewilligt, der von Chef nicht.

Alles klar - ich drin; Chef raus. Denkste. Ich erfuhr erst später, was alles im Hintergrund abgelaufen war, damit ich trotzdem nur halber Projektleiter wurde. Chef setzte mittels guter Beziehungen durch, dass ein Teil der abgelehnten Fragestellungen im Bewilligungsbescheid an zentrale Position gerückt wurden.

Eines wurde mir dadurch sehr deutlich signalisiert: Ein Assistent, der mehr Prestige einfährt als sein Chef - das geht nicht. Und das wurde mir in der Folgezeit auch sehr klar aufgezeigt. Um eine Geschichte kurz zu machen, mit der man ein ganzes Buch füllen könnte: ich fragte mich zu dem Zeitpunkt das erste Mal, was ich denn eigentlich noch kann, außer an der Uni Assistent zu sein.

Viel war es nicht, was dabei herauskam.

Montag, 15. Februar 2010

Das war der endgültige Auslöser

September 2009 - es war heiß, ganz heiß, denn ich lag im Bett und betrachtete rat- und fast besinnungslos das Fieberthermometer, welches heute mit 39,5 den neuen Höhepunkt erreicht hatte. Geschlafen, so wie ich das eigentlich jede Nacht kann und genieße, hatte ich schon seit Tagen nicht mehr. Eine Art Leerlauf im Kopf, wie früher beim Super8-Film, wenn die Spule leer ist und der letzte Filmfetzen mit einem lauten flapgflapflap vor der Optik her huscht.

Mittwoch Mittag war wieder Arztbesuch angesagt, denn seit 5 Tagen schon war nicht klar, was das hohe Fieber und die extremen Entzündungswerte eigentlich auslöst. Und das war ja nicht die erste schwere Erkrankung, die mir dieser Job eingebracht hatte. Im April eine Entzündung in der rechten Schulter, im Vorjahr dasselbe in der Linken, und nie Zeit, das auszukurieren. Der Verdacht lag nahe, das sich da wieder was entzündliches im Schulterbereich entwickelt, oder daß es sich um Schweinegrippe handelt. Die war damals in aller Munde, in wahrsten Sinne des Wortes. Oder um Sonstwas Krankmachendes. Als Auslieferungsfahrer eines Subunternehmens, welches für einen großen deutschen Paketdienst tätig ist, kommt man mit den kränkesten Leuten in Kontakt, ohne es vermeiden zu können. Und die Schweinegrippediagnose dauert 3 Tage.

Der entscheidende Tipp kam beim Husten: Blut. Meine Hausärztin schickte mich sofort zum Lunge röntgen, und die Diagnose lautete Lungenentzündung. Wie kommt man denn an sowas als eigentlich ganz gesunder Mensch?

Ganz einfach: Draußen ist es kalt. Im unbeheizten Depot pfeift der Wind durch alle Knochen. Richtig durchgefroren geht es in den LKW. Tagsüber ist es immer noch kalt, aber die Sonne scheint. In der Kabine meines LKW sind etwa 35 - 40 Grad. Fenster auf und trotzdem schwitzen. Dann im schweißnassen T-Shirt  raus in den Wind, vielleicht noch auf Kunden warten, und wieder rein in die Hitze. Und das 60 - 70 Mal am Tag.

Na super, sagen die Pneumokokken das ist genau richtig. Na super, sagte ich, das ist genau falsch. Und zum zweiten Mal in meinem Leben wurde mir glasklar: So nicht.

Samstag, 13. Februar 2010

Es geht los

Wie werde ich Chef, und warum?

Die alten Hasen werden schon bei der Frage nur müde lächeln. Aber jeder Arbeitnehmer wird sie sich mal gestellt haben. Google liefert 12,8 Millionen Antworten auf diese Frage. Bei 24 Millionen Bundesbürgern, die “abhängig beschäftigt” sind, eine Menge Antworten. Suchanfragen bei google und Co nach Selbständig, Unternehmer und anderen relevanten Stichwörtern kommen etwa 500.000 pro Monat. Oder anders gesagt, im Schnitt ist jeder Arbeitnehmer nach 4 Jahren soweit, dass er/sie gerne Unternehmer werden möchte.

Wenn ich mein bisheriges Arbeitsleben Revue passieren lasse, der Durchschnitt passt in etwa. Mit dem kleinen Unterschied, dass ich jahrelang gar nicht daran gedacht habe, seit einigen Jahren aber immer öfter.

Und jetzt ist es soweit. Aber der Weg ist steinig. Ich werde in nächster Zeit meine Erfahrungen und Erlebnisse hier schildern.