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Samstag, 13. November 2010

Back in OS City

Mit den Erfahrungen aus England trat ich meine erste richtige Stelle an. Befristet – natürlich, aber endlich mal besser bezahlt als diese Super-Stipendien. Viel Ehre, wenig Kohle. Tatsächlich war z. B. die „Graduiertenförderung des Landes Niedersachsen“ der ich meinen Doktor verdanke, eine elitäre Auszeichnung einerseits, aber die Bezahlung war so niedrig, dass ich nicht nur Wohngeld, sondern auch den „Winterfeuerungszuschuß“ der Stadt bekam. Lustig war es nicht, aus dem Labor zu verschwinden, um auf dem Sozialamt für 100 DM anzustehen. Die regulären Doktoranden ärgerten sich derweil darüber, dass von deren Weihnachtsgeld, also dem 14. Monatsgehalt, so viel Lohnsteuer abging.
2001 gab es zwar nur noch 13 Monatsgehälter, aber verglichen mit dem (wieder mal) ehrenvollen, aber extrem schlecht bezahlten Forschungsstipendium im England war es paradiesisch. Dank meiner guten Grafik- und Gestaltungskenntnisse wurde ich denn auch gleich zum Experten für „diese Sachen“ auserkoren. Bis nach Deutschland hatte sich die Erkenntnis, dass man gute Ergebnisse auch entsprechend gut verkaufen und darstellen muß, noch nicht rumgesprochen. Und den ehrenvollen Job als EDV-Beauftragten der Abteilung erhielt ich gleich mit, denn „das ist ja auch so mit Computer, und wir brauchen da jemand“. Das umfasste die Besorgung der Hardware und das Rumschrauben daran einerseits, aber auch Homepage und die Bereitstellung von Materialien im Intranet.
Und das war damals neu. In Zeiten, als die Vorlesungen normalerweise noch per Edding auf Folie geschrieben wurden, fing ich an, mit Powerpoint-Präsentationen zu arbeiten. Ich war zu faul, und meine Handschrift zu schlecht, um diesen ganzen Kram entweder selber auf Overhead-Folie zu malen, oder die Folien von meinen Vorgängern waren stilistisch so verschieden, dass ich es nicht übers Herz brachte, die nacheinander auf den Projektor zu legen. Aber davon mal abgesehen, ich habe meinen eigenen roten Faden, bei einer Vorlesung genau so wie bei einem Vortrag, und die Bilder, die ich an die Wand werfe, müssen (als Minimum) dazu passen. Besser noch, sie überzeugen und beeindrucken.
Ich musste viel experimentieren, um endlich dazu zu kommen, wie man Inhalte lebendig und anschaulich präsentiert, und das Ausgangsmaterial (= die Präsentation) mit vernünftigem Aufwand herstellt. Eine Powerpoint-Folie (incl. Animationen) pro Minute ist die Regel, eine Vorlesung dauert 90 Minuten. Und das 14 Wochen pro Semester. Macht in der Summe 1260 Präsentationsobjekte (= Powerpoint-Folien) alleine für eine Vorlesung. Und ab 2004 gab es dann die Option, die Inhalte als HTML-Dateien für die Studenten schon vorab bereit zu stellen. Student, bereite dich auf diese Veranstaltung vor, indem du am Abend vorher die Folien runterlädst, zur Vorlesung mitbringst, und nur noch kommentierst, was der Dozent dazu sagt. Das waren damals die vom Fachbereich vorgegebenen Anforderungen, aber ich war einer von drei Dozenten (von fast 90 insgesamt), die das erfüllten. Es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn heute immer noch 30 von den verbleibenden 60 Dozenten die prähistorischen Overheads an die Wand werfen, die sie von ihren Vorgängern geerbt haben.
Soweit die Uni. Aber – trotz mindestens 60 Arbeitsstunden pro Woche, denn Vorlesen ist ja nur ein Bruchteil der Verpflichtungen - das war ja noch nicht alles.

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